Autor: John Green, Übersetzung: Sophie Zeitz
Verlag: Hanser
Erschienen am: 10.11.17
Seitenzahl: 288 Seiten, gebunden
Preis: 20,00 Euro
E-Book: 15,99 Euro
Teil einer Reihe: nein
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Aza hat eine Angststörung, ihre Gedanken und Ängste beherrschen ihr Leben und Zwänge machen ihr den Alltag schwer. Doch ihre beste Freundin Daisy will unbedingt die Belohnung ergattern, die die Polizei auf einen Hinweis zum Verschwinden des gesuchten Milliardärs Pickett ausgesetzt hat. Zufällig kennt Aza seinen Sohn noch von früher und ehe sie sich versieht, muss sich sich schwierigen Situationen aussetzen...
Ich muss euch vorab sagen, dass dies eine sehr besondere und sehr persönliche Rezension wird, da ich bei diesem Buch und Thema nichts normales schreiben kann, da es mich direkt betrifft. Seht es mir bitte nach.
Ich muss gestehen, ich mochte das Buch "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" nicht so sehr, wie die meisten, den Film fand ich sogar irgendwie besser. Deswegen habe ich nichts weiteres von John Green gelesen - bis zu diesem Buch. Durch Zufall stolperte ich in die Leseprobe rein und es war, als würde jemand mein Herz berühren. Sofort wurde mir klar, ich muss dieses Buch lesen, und zwar aus einem besonderen Grund: Ich leide auch an einer Angststörung, was die wenigsten wissen und ich glaube was bisher niemand in meinem Umfeld richtig verstanden hat. Aber da komme ich später nochmal zu.
Zuerst möchte ich zum Cover sagen, dass ich es so toll finde, dass der Verlag ein Wendecover gewählt hat, um alle Leser glücklich zu machen. Ich persönlich finde nämlich das zweite, dunkelblaue Cover viel schöner, da dort der Gedankenstrudel für mich besser passt und der Sternenhimmel sich schön dazu einfügt. Außerdem mag ich da das Farbzusammenspiel lieber.
Der Einstieg in das Buch gelang mir ganz leicht, wobei ich mir vorstellen kann, dass es für andere vielleicht schwieriger ist. Aza konfrontiert den Leser schon gleich zu Beginn mit ihren immer kreisenden Gedanken und Ängsten. Das mag für jemanden, der das nicht kennt etwas verwirrend und seltsam, vermutlich auch eher anstrengend sein so eine Protagonistin zu begleiten - für mich war es, als hätte ich endlich jemanden gefunden, der mich versteht.
Das Buch hat mich völlig mitgenommen, positiv als auch negativ. Es gibt eine Sache, die ich bei so einem Buch wichtig finde und die man vielleicht vorweg als Hinweis schreiben sollte, nämlich die Gefahr eines Triggers. Ein Trigger ist ein Begriff vorallem in der Psychologie, der beschreibt, dass etwas eine Empfindung, ein Symptom oder eine Krankheit auslösen kann, meistens eine Situation. Es wäre gut vorweg eine Triggerwarnung für Menschen mit einer Angststörung zu schreiben. Ich habe wie Aza, unter anderem, Angst vor Krankheiten und Bakterien. Es war stellenweise für mich daher wirklich etwas schwer, das Buch zu lesen, ich hatte mehrmals das Bedürfnis "C. difficile" zu googeln.
Davon aber mal abgesehen ist dieses Buch in meinen Augen ein Meisterwerk. John Green schafft es die Krankheit und Azas Leben so detailliert zu beschreiben, dass ich denke, dass jeder, der sich dem Thema etwas öffnen kann, vielleicht so zu mehr Verständnis kommen wird.
Doch das Buch ist nicht nur ein Buch über ein Mädchen mit einer Angststörung, es ist soviel mehr. Es ist natürlich auch ein Buch über Freundschaft, über die Liebe, über andere Probleme im Leben und über Verlust. Darüber, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat und wir manchmal nicht wirklich helfen können, außer da zu sein.
John Green schreibt mit einer Mischung aus Intelligenz, Poesie, Wissen und der Lockerheit der Jugendlichen. Das macht das Buch so großartig und die Seiten flogen beim Lesen nur so vorbei. Das Buch war flüssig geschrieben und für mich an jeder Stelle spannend. Obwohl es auch ruhigere Passagen gab, war ich nie gelangweilt und der Autor schaffte es sogar mich zu überraschen und unvorhergesehene Wendungen einzubringen.
Er schafft es außerdem, die Krankheit so genau zu beschreiben, dass ich erstmal recherchieren musste und meine Vermutung wurde bestätigt, er litt (oder leidet vielleicht) selbst an einer Angststörung.
Ich habe jetzt in einigen Rezensionen gelesen, dass Aza als Protagonistin anstrengend oder gar nervig wäre. Ich kann das einerseits wirklich gut verstehen, das wird sogar im Buch selbst als Thema angesprochen, dass Aza anstrengend ist. Andererseits kann Aza da nichts für, sie leidet an einer Krankheit, die sie dazu zwingt so zu denken und zu handeln. Viele Menschen können sich da nicht reinversetzen und auch wenn sie es wissen oder glauben zu verstehen, tun sie es nicht.
Am Ende des Buches beschreibt Aza ihrer Freundin, die eigentlich schon immer eingeweiht war, zum ersten Mal, wie es wirklich ist und diese fragt dann "So schlimm?", woran man merkt, dass sie trotz ihres Wissen um Azas "Ticks", wie sie sie nennt, nie wirklich eine Ahnung hatte, wie schlimm es für Aza selbst ist.
Mir gefällt an dem Buch auch, die Balance zwischen den krankhaften Gedanken und dem normalen Leben, denn so ist es auch in Wirklichkeit. Manche Tage sind ganz normal und dann ist da plötzlich einer dieser Gedanken und dann werden es immer mehr. Manchmal reicht eine feine Änderung im Leben, die die Krankheit plötzlich wieder stärker macht.
Das Ende ist in meinen Augen sehr gelungen, da es kein übertriebenes Happy End gibt, wo Aza plötzlich geheilt wäre. Denn das ist die bittere Wahrheit, sowas ist zwar behandelbar, man lernt damit umzugehen und besser zu reagieren, aber es verschwindet nie.
Mir geht es um einiges besser als in meinem bisherigen Leben. Ich bin schon als Kind regelmäßig bewusstlos geworden in den blödesten Situationen und hatte schon immer undefinierbare Ängste. Das zog sich durch mein ganzes Leben, ich konnte manchmal nicht stehen, wenn ich stehen musste, aus Angst wieder umzukippen. Später kamen Verlustängste dazu und einiges mehr. Die Angst vor Krankheiten war auch schon immer da, jeder fremde rote Punkt auf meiner Haut konnte meinen Tod bedeuten. Ihr lacht vielleicht jetzt, aber für mich war es schon immer Ernst. Ich habe auch heute immer Desinfektionsmittel dabei, achte darauf nicht unbedingt Türklinken anzufassen und habe eine Phobie vor dem Übergeben. Ich litt vor meiner Therapie wegen all dem lange an Panikattacken, aber diese habe ich zu 90% in den Griff bekommen können. Und wisst ihr, was ich in der Therapie damals als erstes lernen musste? Das ich okay bin, wie ich bin, egal was ich komisches fühle. Man hat mit so einer Krankheit immer das Gefühl anders und nicht in Ordnung zu sein.
Aza ist mir so unglaublich ans Herz gewachsen, weil sie mir das Gefühl gab nicht mehr allein zu sein mit all dem, was ich manchmal fühle. Auch wenn ihre Angststörung etwas anders und teilweise in anderen Dingen extremer ist als meine, so war es, als hätte ich eine Seelenverwandte getroffen.
Ich wünschte, ich könnte John Green treffen und ihn für dieses Buch drücken, denn er bringt etwas, das von kaum jemandem verstanden wird, so perfekt getroffen und trotzdem spannend geschrieben jedem Leser näher. Ich wünschte außerdem, dass jeder dieses Buch lesen würde, damit es mehr Verständnis gibt.
Lieber John Green, danke. Danke für dieses großartige Buch, dass mich so sehr berührt hat und mir das Gefühl gegeben hat, nicht mehr allein zu sein. Danke, dass du über so ein sensibles Thema schreibst, über das viel zu wenig gesprochen wird. Danke, dass du es geschafft hat es trotzdem manchmal witzig, manchmal traurig, spannend und lesetauglich rüberzubringen.
Lest es unbedingt, denn es ist so viel mehr, als nur eine dieser Geschichten.
Rockt mein Herz mit 5 von 5 Punkten!
Wundervolle Rezension! Und ich muss das Buch auch unbedingt lesen, denn ich habe auch ab und zu heftige Ticks, die mich einschränken, aber ich kann damit leben. Deswegen finde ich es mutig von dir das zu schreiben. Habe das lesen sehr genossen:)
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Jenny